Gastkurator: Christoph Schenker
Dies ist die erste Ausstellung von Georg Herold in einem öffentlichen Institut in der Schweiz. In Zürich ist der Künstler jedoch kein unbekannter mehr. Bereits 1985 und wieder 1988 hatte die Galerie Susan Wyss in Einzelausstel– lungen Arbeiten von G. Herold gezeigt. Georg Herold ist der künstlerischen Mentalität nach mit Künstlern wie Werner Büttner, Martin Kippenberger und Albert Oehlen in Verbindung zu bringen. Gemeinsam bildeten sie zu Beginn der 80er Jahre den Kern der Hamburger Szene. Doch während die Maler Büttner und Oehlen früh Beachtung fanden und auch in wichtigen Malerei –Ausstellungen in der Schweiz vertreten waren (bspw. in "12 Künstler aus Deutsch– land", Kunsthalle Basel 1982), wurden die mehr konzeptuell und plastisch arbeitenden Künstler Kippenberger und Herold bei uns erst später wahrgenommen. Vor einem Jahr zeigte die Kunsthalle Zürich in einer Einzelausstellung die "prokrustischen Spiegelbilder" von Albert Oehlen. Letzten Herbst waren neue Arbeiten von Martin Kip– penberger in der Kunsthalle Winterthur zu sehen. Nun stellt die Kunsthalle Zürich einen Ausschnitt aus dem Werk von Georg Herold vor. G. Herold war in den letzten Jahren an international wichti– gen Ausstellungen vertreten wie etwa "Skulptur Projekte Münster" (Westfälisches Landesmuseum Münster 1987), "Simila / Dissimila – Abstraktion in Malerei, Skulptur und Fotografie heute" (Städt. Kunsthalle Düsseldorf 1987/88) und "Binationale – Deutsche Kunst der späten 80er Jahre" (Städt. Kunsthalle Düsseldorf 1988).
Seine Arbeiten versteht Georg Herold gleichsam als Instru– mente für hauptsächlich intellektuelle Erfahrungen. Sein Materialgebrauch zielt nicht auf eine ästhetische Funktion im traditionellen Sinne hin. Er benutzt Material, welches sich ebenso in Bezug auf Inhalt "neutral" verhält, wie Karton, Dachlatten, Schnur, Zieglsteine usf. Das verwendete Material lässt weder Assoziationen zu noch hat es die Aus– sagekraft wie bei der Arte povera, ebensowenig genügt es sich in der Selbstreferenz wie bei der Minimal Art. Die einzelnen Werkteile werden derart zu Trägern von Ideen, die sich ausschliesslich aus der Organisation des Werks selbst entwickeln. Dem Werk von Georg Herold geht es in letzter Konsequenz um Erlebnisse im Bereich des Unanschaulichen, des bisher Unerfahrbaren, des Inkommensurablen. Sein künstlerisches Verfahren ist demjenigen der hochintellektuellen Literaten der deutschen Frühromantik vergleichbar, die das sich ver– festigende Wertsystem und das antikisierende Weltbild der Klassiker attakierten: mit Scharfsinn, Frivolität und Humor, in der ungewohnten Konfrontation von Gegensätzlichem und der überraschenden Verschränkung von Disparatem, mit einer unverständlichen und fragmentarischen Rede, die von para – doxen und unbeständigen Wahrheiten handelt, leistet auch Georg Herold "Sterbehilfe" (G. H.) für alle jene scheinbar gesicherten Werte, die heute überkommen sind. In künst– lerischer Attitüde, Materialgebrauch und Werksyntax über– schreitet er die eigenen Gegebenheiten, um seine Möglich– keiten zu erfinden. Mit der Unerbittlichkeit seiner Trtelli – genz und der Ungeheuerlichkeit seiner Schalkhaftigkeit treibt er die Entgrenzung dessen voran, was als menschliches Mass gilt, und führt zur Ertragbarkeit von Situationen, die man bis anhin für unerträglich hielt. Georg Herolds Werk öffnet damit den Raum für jene "koex– istierenden Zustände" (Weizsäcker), über die nur in Gegen– sätzen und Widersprüchen gesprochen werden kann. Darin zeigt sich in erster Linie ein Problem der Sprache. Dieses Sprachproblem ist demjenigen vergleichbar, von welchem Werner Heisenberg in "Physik und Philosophie" 1959 schrieb: