In Beziehung gesetzt mit einer Auswahl ihres bisherigen fotografischen Werkes, bilden neue, vielteilige Serien den Schwerpunkt dieser Einzelausstellung von Sharon Lockhart. Sie haben ihren Ursprung in Reisen im brasilianischen Amazonas-Gebiet, die die in Los Angeles lebende Künstlerin gemeinsam mit Anthropologen unternahm.
"Aripuanä River Region: Interview Locations" entstand während einer Bootsfahrt von Dorf zu Dorf flussauf und -abwärts. Bei jedem Halt befragte die Anthropologin eine oder mehrere Familien in ihrer gewohnten Umgebung. Im Anschluss dokumentierte Sharon Lockhart in sachlicher Distanz und Schwarzweiss einzig die leeren Gesprächsorte und präsentiert sie sozusagen als uninszenierte Interieurs. Die Bewohner erscheinen nur mittels abfotografierter Schnappschüsse aus ihren Familienalben, die eine intimere und gleichsam authentischere Form von fotografischer Erinnerung vermitteln.
In der Serie "Apeü-Salvador: Families" hingegen posieren die Inselbewohner unmittelbar für die Kamera, wobei sich jedes Portrait der durchwegs frontal aufgereihten Familien in leisen Änderungen repetiert. Lockhart begibt sich mit einer der Konzeptkunst nahen Systematik auf das Terrain der Feldforschung und der ethnografischen Dokumentarfotografie. Dieses Genre, das traditionell mit wissenschaftlicher Methodik das Unvertraute und Andere erforschen, aber auch kontrollieren will, unterwandert sie gleichzeitig mit einer insistierenden Nähe zum betrachteten Gegenüber, die ebenso eindringlich wie unergründlich ist.